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Unsere Demokratie- ein verletzliches Gut

Immer wieder hört man heutzutage, dass unsere Demokratie in Gefahr sei. Man lebe in einer Corona-Diktatur und das Grundgesetz sei abgeschafft. Nicht nur auf den „Spaziergängen“, die jeden Montag stattfinden, wird diese Meinung geäußert, jeder und jede von uns hat sich sicherlich schon in Diskussionen mit solchen Meinungen auseinandergesetzt – und manch einer, der diese Zeilen liest, vertritt vielleicht genau diese Meinung.

 

Menschen, die diese Meinung vertreten, unterliegen jedoch einem fatalen Irrtum – dieser wird vor allem dann deutlich, wenn der Vergleich mit 1933 herangezogen wird: Angeblich werden Grundrechte außer Kraft gesetzt, man vergleicht sich mit den Opfern des Nationalsozialismus. Dies jedoch stellt eine Verhöhnung der Opfer dieses wahrlich diktatorischen Systems dar, die widerwärtiger kaum sein könnte. Die Millionen von Opfer wären froh gewesen, wäre es ihnen möglich gewesen, sich durch eine einfache Impfung vor massiver staatlicher Verfolgung befreien zu können. Mal ganz abgesehen davon, dass die Benachteiligungen, die diejenigen, die sich nicht impfen lassen wollen, aushalten müssen, nicht zu vergleichen sind mit dem millionenfachen Mord an jüdischen Menschen. Wer solche Meinungen vertritt, verachtet unsere Demokratie, um die uns viele Menschen auf der Welt beneiden und merkt auch nicht, dass gerade der Umstand, dass er demonstrieren darf, beweist, dass unsere Demokratie intakt ist. Wer dies bedenkt, dem müsste eigentlich auch schnell klar werden, dass das Schlagwort der „DDR 2.0“, in der wir angeblich leben, Unsinn ist.

 

Es sind sicher nicht alle Menschen, die montags mitspazieren, dieser Meinung. Aber allen, die mitlaufen, muss klar sein, dass „Reichsbürger“ und andere Verächter unseres Staates maßgeblich an solchen Aktionen beteiligt sind und sie sich vor deren Karren spannen lassen.

 

Unsere Demokratie ist wirklich in Gefahr. Aber nicht durch die Maßnahmen des Staates in der Pandemie. Über diese kann man geteilter Meinung sein. Auch der Autor dieser Zeilen versteht längst nicht alle Maßnahmen. Aber unser Staat funktioniert. Das beweist einmal mehr ein Urteil des Verwaltungsgerichthofes aus der letzten Woche, das die Corona-Maßnahmen der Landesregierung einschränkt.

 

Die Demokratie gerät jedoch dadurch in Gefahr, dass diese Maßnahmen mit einer Diktatur gleichgesetzt werden und unser Staat als Ganzes verachtet wird. Impfpflichten gibt es schon länger – bei der Bekämpfung der Pocken hat sie zu deren Ausrottung beigetragen, auch bei den Masern leistet sie einen Beitrag, diese Krankheit einzudämmen. Eine Impfpflicht oder eine Benachteiligung Ungeimpfter bedeuten noch lange keine Diktatur.

 

Am vergangenen Samstag haben nun zum ersten Mal hier in der Region laut Polizei etwa 800 Menschen mit An- und Abstand Flagge gezeigt. Es waren bisher leise Menschen, denen unsere Demokratie jedoch am Herzen liegt und die nun ihre Stimme erhoben haben und laut geworden sind. Sie haben auf einer Kundgebung auf dem Marktplatz in Ludwigsburg aktiv für unsere demokratischen Strukturen geworben und sich gegen Hetze und Falschinformationen ausgesprochen.

 

Unsere Demokratie ist nicht selbstverständlich, sie ist verletzlich. Es ist an der Zeit, sie zu schützen und für sie einzutreten. Lasst uns den Menschen entgegentreten, die sie verachten und ihnen zeigen, dass sie nicht in der Mehrheit sind.

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